Lebensraum

Vielfältige Lebensräume im Wasser - Gegen die zerstörende Geradlinigkeit und über Unregelmäßigkeiten und Strukturen in unseren begradigten Gewässern

Es ist bekannt, dass von allen Lebensräumen im Meer die Korallenriffe am dichtesten besiedelt sind. Vor allem liegt das an den mannigfaltigen Strukturen dieses Systems, die Lebensräume, Verstecke und Nahrungsgrundlage bieten. Der offene Ozean ist dagegen vergleichsweise leer. Auch auf artenarmen Wiesen und Feldern konzentriert sich das Leben auf Feldraine und Hecken - auf die Unregelmäßigkeiten in der Eintönigkeit. Im Fließgewässer ist das genauso.

Je vielfältiger ein Lebensraum ist, desto mehr Tierarten kommen vor und desto höher ist die Individuendichte. Die meisten Fischarten stellen definierte Ansprüche an ihr Wohngewässer: Die Nase, eine Karpfenfischart, braucht z. B. kiesige, rasch fließende Gewässerabschnitte als Laichplatz. Die Jungfische benötigen ruhige, seichte Randzonen. Die erwachsenen Nasen halten sich bodennahe in stärkerer Strömung auf, wo sie bei der Futtersuche Algen von den Steinen raspeln. Ein optimales Nasengewässer muss daher gut strukturiert sein. Viele Fischarten, z. B. die Forelle, besetzen Reviere, die sie gegen Eindringlinge verteidigen. Eine Forelle steht immer an derselben Stelle im Bach und zieht sich immer unter dieselbe Wurzel zurück. Sie ist standorttreu. Fischwanderungen nehmen in dem Maße zu, wie der Lebensraum vom Menschen verändert wurde. Ist sein Bach in Ordnung, sinkt für den Fisch die Notwendigkeit, andere Gewässerabschnitte aufzusuchen.

Vergleicht man einen begradigten Fluss mit einem naturnahen, fällt der immense Unterschied im Fischbestand auf. Während im regulierten Gerinne nur wenige, unspezialisierte Arten vorkommen, begegnet uns im naturnahen Fluss Artenvielfalt in teils großer Dichte. Die Ursache sind in erster Linie Strukturen wie z. B. Wurzeln der Ufergehölze, ins Wasser hängende Zweige oder Totholz. Steine, einzeln oder künstlich als Buhnen gruppiert, beleben das Strömungsbild und schaffen vielfältige Substratverhältnisse am Gewässerboden. Grundsätzlich ist ein "unordentliches" Gewässer meist ökologisch intakt. Die Natur kennt keine geraden Linien und das Gewässer schon gar nicht.

In letzter Zeit wurde begonnen, Gewässer zu restrukturieren. Bäche und Flüsse werden dabei aufgeweitet, in Bögen gelegt und mit Strukturelementen versehen, wobei gehofft wird, dass innerhalb fester Grenzen wieder Eigendynamik entstehen kann. Hundertwasserhäuser für Fische sozusagen. Diese besiedeln, wie Untersuchungen belegen, die restrukturierten Gewässerabschnitte in kürzester Zeit.

Restwasserstrecken leiden sehr oft nicht nur unter geringer Dotation, sondern auch unter starkem Strukturmangel. Oft handelt es sich um sehr breit regulierte Abflussprofile, in denen das wenige Wasser einheitlich seicht abfließt. Das ist hier kein Plädoyer, Gewässer durch Strukturierung so einzuengen, dass die Dotierwassermenge reduziert werden kann. Strukturmaßnahmen, wie das Anlegen von Buhnen oder das Einbringen von Totholz, können aber wertvolle Ausgleichsmaßnahmen bei der Errichtung einer Wasserkraftanlage sein und können oft den guten fischökologischen Zustand einer Gewässerstrecke herstellen. Bei der Bemessung der Dotierwassermenge an bestehenden Wasserkraftwerken mit überbreiten und regulierten Restwasserstrecken sollte auch ein Nachdenken über eine fischfreundliche Strukturierung zugunsten einer geringeren Dotierung - sofern Grenzwerte eingehalten werden - jedenfalls erlaubt sein

Quelle: siehe Impressum